Antrittsvorlesung von Prof. Julia SchneiderHerrschaft und Integration in fünf eurasischen Reichen: Ein Projekt zur Theoriebildung
16. Mai 2025, von AAI Webmaster

Foto: J. Schneider
Eine akademische Antrittsvorlesung ist ein Übergangsritual mit programmatischem Charakter. Eine Professorin, die das Fach für die nächsten Jahre, vielleicht Jahrzehnte repräsentieren wird, stellt sich und ihre wissenschaftlichen Pläne vor. Wir wollen das in einem würdigen Rahmen begehen: mit großem Publikum und einem anschließenden Empfang zu Brod und Wein.
Wir freuen uns, viele von Euch und Ihnen am 16. Mai um 18 Uhr im AAI, Raum 221, begrüßen zu dürfen!
Herrschaft und Integration in fünf eurasischen Reichen: Ein Projekt zur Theoriebildung
Bislang sind eurasische Reiche wie das Qingreich (1636–1912), das Mogulreich (1526–1857), das Safawidenreich (1501–1736), das Osmanische Reich (1299–1922) und das russische Reich (1480–1917) von der Theoriebildung in den Geschichtswissenschaften ausgeschlossen gewesen, obwohl sie lang andauernde, große politische Entitäten mit überaus diversen Bevölkerungen waren, die zu ihren Hochzeiten im 17.-18. Jahrhundert zusammen beinahe drei Viertel des eurasischen Kontinents beherrschten. Ihre Herrschaftskonzepte und -strategien waren also von normativer Bedeutung und sollten daher auch heute auf der Metaebene der Theoriebildung nicht länger nur als Einzel- oder Sonderfälle behandelt werden.
Ziel des Projektes, das in der Vorlesung vorgestellt wird, ist es, auf Basis der fünf genannten Reiche Theorien von Herrschaftskonzepten und -strategien zu entwickeln, die in Eurasien und darüber hinaus Anwendung finden können. Damit sollen bestehende Normen der Historiographie von Imperien aufgebrochen werden, vor allem die Tendenz, sich bei der Analyse globaler Reiche vor allem europäischen Reichen für vergleichende Studien zuzuwenden, sowie Geschichtstheorien, die auf Basis europäischer Erfahrungen und für europäische Fälle entwickelt wurden, global anzuwenden. Durch die Entwicklung eines neuen eurasischen Referenzrahmens soll eine De(euro)zentrierung durch die Entwicklung neuer Theorien zu Herrschaftskonzepten- und strategien, gestützt auf Erkenntnisse und Methoden der Globalgeschichte, der empire studies sowie der postkolonialen Studien, ermöglicht werden.
Die fünf genannten Reiche stellen sinnvolle Vergleichsfälle für eine solche Theoriebildung dar. Sie alle wurden auf den Resten des mongolischen Weltreichs Dschingis Khans (ca. 1206–1368) gegründet und sind damit durch Geschichte und Struktur, Raum und Zeit verbunden. Folgende Fragen sollen im Projekt vergleichend untersucht werden: Wie konzeptualisierten und praktizierten die Herrschaftseliten der fünf post-dschingisidischen Reiche Herrschaft? Wie integrierten sie ihre diversen Bevölkerungen? Zeigen sich übergreifende Muster? Müssen neue historische Theorien gebildet werden, um diese Muster sinnvoll analysieren und verstehen zu können?