Stagnation in einer Epoche rapiden Wandels - Zur Mortalität in japanischen Städten 1913 und 1930PD Dr. Ralph Lützeler (Bonn)
23. Juni 2025, von AAI-Redaktion

Foto: PD Dr. Ralph Lützeler
Der Zusammenhang von Bevölkerungsentwicklung und sozioökonomischer Entwicklung ist eine zentrale Frage der historisch arbeitenden Bevölkerungswissenschaft. Das besondere Interesse galt dabei stets der zu beobachtenden Korrespondenz zwischen beginnender Industrialisierung und Bevölkerungswachstum. Eng damit verbunden sind unterschiedliche Bewertungen des Industrialisierungsprozesses selbst: Wirkten sich medizinisch-technischer Fortschritt oder verbesserte Erwerbsmöglichkeiten von Beginn an eher positiv auf die allgemeinen Lebensbedingungen aus? Oder überwogen zunächst sterblichkeitserhöhende Effekte, etwa in Gestalt schlechter Wohn- und Arbeitsbedingungen, d.h., wurde das Bevölkerungswachstum anfangs allein von höheren Geburtenraten getragen?
In Japan stagnierte nach ersten Verbesserungen in den 1880er und frühen 1890er Jahren die Lebenserwartung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs trotz steigender Wirtschaftsleistung pro Kopf nahezu. Bisherige Erklärungsversuche für diese Entwicklung überzeugen jedoch wenig oder wurden noch nicht hinreichend empirisch überprüft. Letzteres betrifft vor allem die These, nach der bestimmte Folgen des starken Städtewachstums seit 1890 eine weitere Erhöhung der Lebenserwartung verhindert haben.
Hier möchte der Vortrag ansetzen und nach einem Überblick über den Forschungsstand die nach Todesursachen aufgeschlüsselten Sterblichkeitsverhältnisse in den 25 bzw. 28 größten Städten Japans für die Zeitpunkte 1913 und 1930 beschreiben. Dabei wird auch auf die Herausforderungen eingegangen, die sich bei der Nutzung zeitgenössischer statistischer Quellen stellen. Ziel ist es, Ansätze für eine Erklärung der Mortalitätsunterschiede zwischen den ausgewählten Städten zu liefern und damit zur Beantwortung der Frage nach den Gründen für die Stagnation der Lebenserwartung in Japan während der ersten Hälfte des 20. Jh. beizutragen.
PD Dr. Ralph Lützeler wurde 1993 an der Universität Bonn im Fach Geographie promoviert und habilitierte sich 2006 dortselbst. Er war u.a. am Deutschen Institut für Japanstudien (DIJ) Tôkyô sowie an den Japanologien Bonn und Wien tätig. Zwischen 2020 und 2021 vertrat er eine Professur für Japanologie am AAI. Sein hauptsächliches Forschungsinteresse gilt der demographischen und urbanen Entwicklung Japans seit der Meiji-Zeit.
Die Veranstaltung findet am Montag, den 23. Juni 2025, 18:00 bis 19:30 Uhr in Raum ESA-O 122 des Asien-Afrika-Instituts (Edmund-Siemers-Allee 1, Ostflügel) statt.
Diese Veranstaltung erfolgt in Zusammenarbeit mit der „Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens“ (OAG).