Geschichte
Die Anfänge
Die Geschichte der deutschsprachigen Japanologie als Fachwissenschaft beginnt mit Hamburg im Jahr 1914. Sicherlich – die Beschäftigung mit Phänomenen der japanischen Kultur ist weitaus älter. Insbesondere sind hier die beiden „Ahnen“ der deutschen Japanforschung, Engelbert Kaempfer (1651–1716) und Philip Franz von Siebold (1796–1866), zu nennen, die als Ärzte in holländischen Diensten bereits früh Zugang zu dem damals noch weitgehend abgeschlossenen Inselreich erlangten. Dennoch: Erst mit Karl Florenz (1865–1939) und seiner Berufung am 1. August 1914 auf den „Lehrstuhl für Sprache und Kultur Japans“ am Kolonialinstitut Hamburg (ab 1919: Universität Hamburg), hatte der Gegenstand „Japan“ auch eine wissenschaftlich-institutionelle Adresse. Die Aufbauarbeit der ersten Jahrzehnte war mühsam und erinnert zugleich an Nöte späterer Zeiten: zu wenig Mittel und Personal. Erst 1926 wurde der bereits lange zugesagte Sprachlektor eingestellt. Neben Forschung und Lehre war ein weiteres Anliegen Florenz’ – bis in die Gegenwart von Bedeutung – die Anbindung an die Bedürfnisse der Stadt, deren Interessen ja auch zur Gründung des Lehrstuhls beigetragen hatten.
Nationalsozialismus und Kriegszeit
In der Nachfolge von Florenz vertrat dessen Schüler Wilhelm Gundert (1880–1971) (Schriftenverzeichnis) der während der Jahre 1936 bis zum Kriegsende das Fach. Gundert ist einer breiteren Öffentlichkeit unter anderem durch Hermann Hesse bekannt, mit dem ihn, neben familiären Beziehungen, auch ein Interesse an „östlicher Weisheit“, insbesondere des Chan-/Zen-Buddhismus verband. Weiterhin zu nennen ist seine Mitherausgeberschaft der weit verbreiteten Anthologie Lyrik des Ostens (1952 und öfter), die noch als Taschenbuch in den 80er Jahren hohe Auflagen erlebte. Gunderts Berufung, die erste Besetzung eines japanologischen Lehrstuhls nach den neuen Leitlinien des Nationalsozialismus, führte zunächst zu einer erfreulichen Verbesserung der personellen und materiellen Situation des Seminars. Die Lektorenstelle, bereits 1932 wieder Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen, wurde noch im Jahr 1936 erneut besetzt; darüber hinaus erhielt das Seminar ab 1937 bzw. 1939 auch eine Assistentenstelle. Gundert, der bereits im April 1934 in die NSDAP eingetreten war, engagierte sich jedoch auch zunehmend hochschulpolitisch. Nicht in seinem wissenschaftlichen Œuvre, aber in seinen verwaltungspolitischen Aktivitäten und seiner Öffentlichkeitsarbeit läßt er deutlich eine enge Verbundenheit mit dem Zeitgeist erkennen. Diese Profilierung führte dazu, daß er 1945 aufgrund einer Intervention der Allierten, lediglich „vom Dienst befreit“ und nicht offiziell emeritiert wurde.
Die Nachkriegszeit
In der Nachkriegszeit waren es vor allem zwei Persönlichkeiten, welche den Ruf der Hamburger Japanologie weithin prägten: Der Sprachwissenschaftler Günther Wenck (1916–1992) und der Literaturwissenschaftler und Übersetzer Oscar Benl (1914–1986). Während sich Wenck vor allem mit Arbeiten zur Sprachgeschichte, zu Syntax und Phonologie hervortat, publizierte Benl über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren eine überwältigende Fülle von Prosaübersetzungen der japanischen Literatur, von der klassischen Zeit des Hofadels über Klassiker der Moderne bis zu aktuellen Erzählungen. Besonders hervorzuheben ist seine Monumentalübersetzung des wichtigsten Prosawerkes der vormodernen Literatur, der „Geschichte vom Prinzen Genji“ (Genji monogatari, deutsch 1966). Darüber hinaus förderte er jedoch immer auch die Beschäftigung mit aktuellen Themen etwa aus dem Bereich von Politik oder Ideologie. In den 50er Jahren kam ein drittes Gesicht hinzu, das die beiden großen Nachkriegszentren der Japanologie – Hamburg und München – biographisch verband: Géza S. Dombrády (1924–2006). Dombrádys Schwerpunkt war die Literatur- und Geistesgeschichte insbesondere der Edo-Zeit; berühmt geworden ist er in späteren Jahrzehnten für seine beispielhaften Übersetzungen und Kommentierungen der „Drei Großen“ der haikai-Dichtung, neben Bashô vor allem Werke von Issa und Buson. Dombrády wechselte 1978 an die Universität zu Köln.
Japanologieboom der 80er und 90er Jahre
In die Zeit des Japanologiebooms der 80er und 90er Jahre fällt die Rückkehr von Roland Schneider (1939–2007) an seine Alma mater im Jahre 1983. Schneider war 1968 bei Benl promoviert und bereits im Alter von 31 Jahren auf den Lehrstuhl für Japanologie an der Freien Universität Berlin berufen worden. Anschließend leitete er von 1975 bis 1983 in Tübingen die dortige Japanologie. Seinem Engagement ist es zu verdanken, daß das Hamburger Seminar Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre zur größten Fachvertretung in Deutschland (mit insgesamt 3 Professoren, mehreren Assistenten und Mitarbeitern sowie Lektoren) aufstieg. Begleitet haben ihn dabei von 1987 bis 1993 Klaus Antoni (Kulturanthropologie und Geistesgeschichte), 1994 bis 2008 Manfred Pohl (Politik und Gesellschaft), sowie Kay Genenz (zwischen 1995 bis 1999, Kulturelle Entwicklung und Sprachdidaktik). Unter der Leitung von Schneider kam es zu einer grundlegenden Modernisierung sowohl des Curriculums im engen Sinn als auch der gesamten Studium- und Wissenschaftsinstitution Japanologie in Hamburg. Dazu gehörten Auf- und Ausbau der Beziehungen zu japanischen Partneruniversitäten, die Durchführung von durch Drittmittel geförderte Projekte, enge Kontakte zu den verschiedenen japanrelevanten Institutionen in der Stadt, Fortbildungsprogramme für Firmen oder für die breitere Öffentlichkeit, vermehrte Förderung der Studierenden gerade auch im Hinblick auf die spätere Berufszeit – Reaktion auf und zugleich fruchtbarer Umgang mit einer veränderten Universitätslandschaft. Hinzuweisen ist schließlich auch auf die vielen Schülerinnen und Schüler der Hamburger Ordinarien, die nach ihrer Ausbildung innerhalb der letzten 30, 40 Jahre selbst das Fach an anderern Orten vertraten oder noch vertreten (Paris, Köln, Bochum, Bonn, München, Heidelberg, Nichibunken/Kyôto).
Aktuelles
Seit dem Anfang des neuen Jahrhunderts ist die Japanologie Teil des Asien-Afrika-Instituts, ein Verbund von Fächern, denen ein außereuropäischer „Gegenstand“ und ein breites kulturwissenschaftliches Interesse gemeinsam sind. Konkret zeigt sich diese Verbindung an neuen Studiengängen (B.A. und M.A.), in denen mehrere Fächer kooperieren, sowie in verschiedenen Forschungsinitiativen, aktuell der Beteiligung an der Forschergruppe Manuskriptkulturen in Asien und Afrika. Ist das Seminar somit viele Jahrzehnte hinweg bemüht gewesen, seine vielfältigen Verpflichtungen innerhalb und außerhalb der Universität zu erfüllen, so bedarf es als Grundlage seiner Arbeit weiterhin einer breiten Unterstützung des universitären Bereichs insgesamt. Es bleibt zu wünschen, daß dieser Wechselwirkung für die mit Japan und Ostasien in so vielfältiger Weise verbundene Hansestadt weiterhin die notwendige Beachtung geschenkt wird.
2014 - 100 Jahre Japanologie
Im August 1914 wurde Karl Florenz, zuvor noch Professor für Vergleichende Sprachwissenschaft und Philologie an der Kaiserlichen Universität Tôkyô, auf den Lehrstuhl für Sprache und Kultur Japans berufen. Es war dies der 1. Lehrstuhl für Japanologie in Deutschland überhaupt, damals noch am sogenannten „Kolonialinstitut“, der Vorläuferinstitution der Universität Hamburg. Diesen Anlaß wollen wir im Dezember 2014 mit einem Festakt und einem Festsymposion begehen, zu dem wir alle Freunde, Nachbarinstitutionen, Absolventinnen und Absolventen sowie die Studierenden des Faches in Hamburg herzlich einladen.
Festakt
Donnerstag, den 11. Dezember 2014, 18:00 – 20:00 Uhr mit anschließendem Empfang in Raum 221 des Asien-Afrika-Instituts.
Festvortrag: Prof. Dr. Klaus Antoni (Japanologie, Universität Tübingen)
Festsymposium
Festsymposion mit Kolleginnen und Kollegen aus Japan und Europa zum Thema „Wissenschaftliche Begegnungen Japan-Deutschland“:
Freitag, 12. Dezember 2014 (Raum 221, Asien-Afrika-Institut)
10:00 − 10:15 | Begrüßung (Roland Kießling, Sprecher des AAI, Manfred Pohl, Universität Hamburg) |
10:15 − 12:00 | Panel I: Wechselseitige Wahrnehmungen in Literatur & Geistesgeschichte Leitung: Jörg B. Quenzer (Universität Hamburg) Peter Pörtner (LMU München): „Kulturexport auf Krepppapier: Hasegawa. Florenz et al.“ Tomohiro Takanashi (Osaka City University): „Kulturelle Annahme als Aneignung: Über das Japanische in der Philosophie Nishidas“ |
12:00 − 13:00 | Mittagspause |
13:00 − 14:45 | Panel II: Ansätze der Kindheitsforschung/ Approaches to Childhood Studies Leitung: Eike Grossmann (Universität Hamburg) Martin Baisch (Universität Hamburg): „Der puer-senex-Topos im höfischen Roman“ Annika Pissin (University of Lund): “Demons, women and the body: contextualizing childhood risks in China (7th-9th century)” Michael Watson (Meiji Gakuin University): “Missing children, missing parents: filial sons and daughters in medieval Japanese narrative and noh drama” Michael Kinski (Universität Frankfurt): “Masanari and other children. On the history and historiography of Edo period childhood” |
14:45 – 15:15 | Pause |
15:15 – 17:00 | Panel III: Fremdsprachendidaktik in Japan und Deutschland: Blick zurück und nach vorn 今ふりかえる外国語教育ー日独の日本語教育とドイツ語教育ー Leitung: Saki Sugihara (Universität Hamburg) Masao Sanehira (Kobe University) Takako Yoshimitsu (Hiroshima University) Sono Habuto (Japanisches Kulturinstitut, Köln) Takeshi Yamamori (Universität Hamburg) |
Samstag, 13. Dezember 2014 (Raum 221, Asien-Afrika-Institut)
10:00 – 11:45 | Panel IV: Global Political and Social Challenges. The Role of Japanese Studies – Roundtable Discussion – Chair: Gabriele Vogt (University of Hamburg) Verena Blechinger-Talcott (FU Berlin) David Chiavacci (University of Zurich) Patrick Koellner (GIGA Hamburg) Koichi Nakano (Sophia University, Tokyo) |
11:45 – 12:00 | Pause |
12:00 – 12:45 | Panel V: Japanologische Ressourcen digital – Zugänge und Hindernisse Leitung: Sigrid Francke (Universität Hamburg) Robert Horres (Universität Tübingen): „Krieg der Zeichen: Elektronische Zeichensatzstandards und kulturwissenschaftliche Japanforschung“ Ursula Flache (Staatsbibliothek zu Berlin): „Die Anfänge der Japan-Sammlung der Staatsbibliothek zu Berlin in digitalem Gewand“ |
12:45 – 14:00 | Mittagspause |
14:00 – 15:00 | Berufswelt & Japan(ologie) 1 Roman Ditzer (RD interlogue), Susanne Elfferding (Diplomübersetzerin), Mario Schmidt (NDR) |
15:00 – 16:00 | Berufswelt & Japan(ologie) 2 Katja Cassing (cass-verlag), Mareike Dudek (Handelskammer Hamburg), Florence Rau (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) |
16:00 – 17:00 | Berufswelt & Japan(ologie) 3 Stephan Keichel (Bundesverband der Deutschen Industrie) & Norman Langbecker (Ostasien-Verein), Jürgen Seebeck, Übersetzer (Manga-Zeichner & -Übersetzer), Angela Ziegenbein, Kulturvermittlung (Japanisches Kulturinstitut, Köln) |