Geschichte
Die Anfänge
Die Geschichte der deutschsprachigen Japanologie als Fachwissenschaft beginnt im Jahr 1914 hier in Hamburg. Mit Karl Florenz (1865–1939) und seiner Berufung am 1. August 1914 auf den Lehrstuhl für Sprache und Kultur Japans am Kolonialinstitut Hamburg (ab 1919: Universität Hamburg), hatte der Gegenstand Japan nun auch eine wissenschaftlich-institutionelle Adresse, auch wenn die Beschäftigung mit Phänomenen der japanischen Kultur natürlich weitaus älter ist. Die Aufbauarbeit der ersten Jahrzehnte war mühsam und erinnert zugleich an Nöte späterer Zeiten: zu wenig Mittel und Personal. Erst 1926 wurde der bereits lange zugesagte Sprachlektor eingestellt. Neben Forschung und Lehre war ein weiteres Anliegen Florenz’ die Anbindung an die Bedürfnisse der Stadt Hamburg, deren Interessen ja auch zur Gründung des Lehrstuhls beigetragen hatten.
Nationalsozialismus und Kriegszeit
In der Nachfolge von Florenz vertrat dessen Schüler Wilhelm Gundert (1880–1971; unvollständiges und erweitertes Schriftenverzeichnis) während der Jahre 1936 bis zum Kriegsende 1945 das Fach. Gunderts Berufung war zugleich die erste Besetzung eines japanologischen Lehrstuhls nach den neuen Leitlinien des Nationalsozialismus. Sie führte zunächst zu einer Verbesserung der personellen und materiellen Situation des Seminars. Die Lektorenstelle, bereits 1932 wieder Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen, wurde noch im Jahr 1936 erneut besetzt; darüber hinaus erhielt das Seminar ab 1937 bzw. 1939 auch eine Assistentenstelle. Gundert, der bereits im April 1934 in die NSDAP eingetreten war, engagierte sich jedoch auch zunehmend hochschulpolitisch. Nicht in seinem wissenschaftlichen Œuvre, aber in seinen verwaltungspolitischen Aktivitäten und seiner Öffentlichkeitsarbeit lässt er deutlich eine enge Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus erkennen. Diese Profilierung führte dazu, dass er 1945 aufgrund einer Intervention der Alliierten, „vom Dienst befreit“ und nicht offiziell emeritiert wurde.
Die Nachkriegszeit
In der Nachkriegszeit waren es vor allem zwei Persönlichkeiten, welche den Ruf der Hamburger Japanologie weithin prägten: Der Sprachwissenschaftler Günther Wenck (1916–1992; Nachruf und Schriftenverzeichnis) und der Literaturwissenschaftler und Übersetzer Oscar Benl (1914–1986; Nachruf und Schriftenverzeichnis). Während sich Wenck vor allem mit Arbeiten zur Sprachgeschichte, zu Syntax und Phonologie hervortat, publizierte Benl über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren eine überwältigende Fülle von Prosaübersetzungen der japanischen Literatur, von der klassischen Zeit des Hofadels über Klassiker der Moderne bis zu aktuellen Erzählungen. In den 1950er Jahren kam mit Géza S. Dombrády (1924–2006, bis 1978 in Hamburg) eine weitere Professur mit dem Schwerpunkt Literatur- und Geistesgeschichte insbesondere der Edo-Zeit (1603–1868) hinzu; er ist insbesondere für seine Übersetzungen und Kommentierungen von haikai-Dichtung bekannt.
Japanologieboom der 80er und 90er Jahre
1983, nach der Emeritierung Oskar Benls, wurde dessen Schüler Roland Schneider (1939–2007) an die Japanologie Hamburg berufen. Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass das Hamburger Seminar Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre mit insgesamt drei Professuren, mehreren Assistent:innen, Mitarbeitenden sowie Lektor:innen zur größten Fachvertretung in Deutschland aufstieg. Begleitet haben ihn dabei von 1987 bis 1993 Klaus Antoni (Kulturanthropologie und Geistesgeschichte), von 1994 bis 2008 Manfred Pohl (1943–2015, Politik und Gesellschaft), sowie von 1995 bis 1999 Kay Genenz (Kulturelle Entwicklung und Sprachdidaktik). Unter der Leitung von Schneider kam es zu einer grundlegenden Modernisierung sowohl des Curriculums im engen Sinn als auch der gesamten Studium- und Wissenschaftsinstitution Japanologie in Hamburg. Dazu gehörten Auf- und Ausbau der Beziehungen zu japanischen Partneruniversitäten, die Durchführung von durch Drittmittel geförderte Projekte, enge Kontakte zu den verschiedenen japanrelevanten Institutionen in der Stadt, sowie Fortbildungsprogramme für Firmen oder für die breitere Öffentlichkeit. Hinzuweisen ist schließlich auch auf die vielen Schülerinnen und Schüler, die nach ihrer Ausbildung innerhalb der letzten 30, 40 Jahre selbst das Fach an anderen Orten vertraten oder noch vertreten (Paris, Köln, Bochum, Bonn, München, Heidelberg, Kyōto).
Seit 2000
Seit dem Anfang des neuen Jahrhunderts ist die Japanologie Teil des Asien-Afrika-Instituts, ein Verbund von Fächern, denen ein außereuropäischer „Gegenstand“ und ein breites kulturwissenschaftliches Interesse gemeinsam sind. Konkret zeigt sich diese Verbindung an neuen Studiengängen (BA und MA), in denen mehrere Fächer kooperieren. In unserem Fall ist dies eine Kooperation mit der Koreanistik und der Sinologie; zugleich beinhaltet das Curriculum auch Veranstaltungen für alle Studierenden des AAI. Diese neue Phase wurde geprägt von Jörg B. Quenzer (Literatur & Medien/Kultur-/Geistesgeschichte), der 2006 die Nachfolge von Schneider antrat. Begleitet wurde er dabei zunächst ab 2009 von Gabriele Vogt (Politik und Gesellschaft Japans in der Nachfolge Pohl), die seit 2019 an der LMU München forscht und lehrt, und ab 2012 von Eike Großmann (Theater und Kultur), die bis 2019 eine Juniorprofessur in der Japanologie innehatte. 2015 erfolgte mit der Einrichtung einer Numata-Professur für Japanischen Buddhismus und mit der Berufung von Steffen Döll eine Erweiterung unseres Forschungs- und Lehrprofils. Dieses wurde 2021 ergänzt mit der Rückkehr Eike Großmanns auf eine Professur für Kultur- und Theatergeschichte und 2022 mit Kerstin Fooken, die als Juniorprofessorin die Schwerpunkte Film und Populärkultur Japans vertritt.
Besonders hervorzuheben sind die verschiedenen Forschungsinitiativen, darunter die Mitwirkung am Exzellenzcluster Understanding Written Artefacts oder am Forschungsprojekt zu „World Genealogies“ sowie die engen Beziehungen zu universitären Institutionen in Japan und weltweit.
2014: 100 Jahre Hamburger Japanologie
Im Dezember 2014 feierte die Japanologie Hamburg ihr 100jähriges Bestehen mit einem Festakt und Symposion. Das Programm beinhaltet u.a. einen Festvortrag von Prof. Dr. Klaus Antoni (Japanologie, Universität Tübingen) am Donnerstag, den 11. Dezember 2014 mit anschließendem Empfang im Asien-Afrika-Institut. Das Programm des Symposions am Freitag, 12. Dezember und Samstag, 13. Dezember 2014 bestand aus fünf Panels mit den Titeln „Wechselseitige Wahrnehmungen in Literatur & Geistesgeschichte“ (Leitung Jörg B. Quenzer), „Ansätze der Kindheitsforschung/ Approaches to Childhood Studies“ (Leitung Eike Großmann), „Fremdsprachendidaktik in Japan und Deutschland: Blick zurück und nach vorn 今ふりかえる外国語教育ー日独の日本語教育とドイツ語教育ー“ (Leitung Saki Sugihara), „Roundtable Discussion: Global Political and Social Challenges. The Role of Japanese Studies“ (Leitung Gabriele Vogt), „Japanologische Ressourcen digital – Zugänge und Hindernisse“ (Leitung Sigrid Francke). Am Samstagnachmittag stellten Japanologinnen und Japanologen unter dem Titel „Berufswelt & Japan(ologie)“ ihre Tätigkeitsfelder vor und gaben den derzeitigen Studierenden wertvolle Tipps und Einsichten in das Leben „nach dem Studium“.