«... und er kam wieder heraus und erschlug den Statthalter mitsamt seinem Gefolge ...»Zur Form des Erzählens in der symbolischen Form des Mythos
5. Juli 2022, von AAI Redaktion

Foto: frommann-holzboog
Vortrag von Prof. Dr. Raji C. Steineck (Universität Zürich) am 5. Juli 2022 um 18 Uhr im AAI, ESA 1, Flügel Ost, Raum 123
Mythen verbinden das Zufällige mit einer Geschichte aus der Tiefe der Zeit und geben ihm so einen Sinn. Der Vortrag zeigt am Beispiel der altjapanischen Heldenfigur Yamato Takeru, mit welchen formalen Aspekten des Erzählens sich das verbindet.
Gewaltsame Befriedung gehört zu den klassischen Aufgaben mythischer Helden. Yamato Takeru, von dem im Titelzitat die Rede ist, bildet hier keine Ausnahme — im Gegenteil: in den Chroniken des Altertums macht das Töten von Gegnern des japanischen Reiches den Kern aller Erzählungen um sein Leben aus. Ganz allein soll er unbotmässige Teile des Landes unterworfen haben. Die Berichte um sein Leben unterstreichen Herrschaftsansprüche, die zum Zeitpunkt, als die Chroniken abgefasst wurden, noch vergleichsweise neu waren und verankern sie in der Tiefe der Zeit. Sie sind damit exemplarische Fälle mythischen Erzählens.
Als «symbolische Form» (E. Cassirer) richtet sich der Mythos darauf, relevante, aber kontingente Aspekte der Wirklichkeit zu begründen, indem sie mit einer Erzählung von «Wirklichkeitsrang» verbunden werden. Mythen sind also Geschichten, auf die man Bezug nimmt, um zu zeigen, warum das Zufällige ist, wie es ist. Daraus folgt in der Regel auch, was mit ihm anzufangen sei. Erzählungen, die mit diesem Anspruch verbunden werden, müssen besondere Eigenschaften haben. Der Vortrag erläutert in seinem ersten Teil, warum und wie Cassirers eigene Vorstellung von der symbolischen Form Mythos zu revidieren ist. Im zweiten Teil zeigt er anhand der Figur des Yamato Takeru, welche formalen Eigenheiten mythischen Erzählens den Wirklichkeitsrang des Erzählten bestärken und wie mit ihnen Bedeutsamkeit erzeugt wird.
Raji C. Steineck lehrt japanische Geistesgeschichte an der Universität Zürich. Zu seinen aktuellen Forschungsschwerpunkten gehört ein großes Projekt über Zeitverständnisse im vormodernen Japan.