Ethiojazz aus Äthiopien mit Teddy Afro
Ethio-Jazz
Musik ist am Horn von Afrika und vor allem in Äthiopien ein wichtiger Bestandteil des alltäglichen Lebens und wird als Ausdrucksmittel der kulturellen Identität genutzt.
Die traditionelle Musik mit ihrer aus nur fünf Tönen bestehenden Tonleiter, der sogenannten Fünftonskala, genießt eine Alleinstellung auf dem afrikanischen Kontinent. Die als Azmari አዝማሪ bezeichneten Künstler nutzen zwei Leier-Instrumente namens Krar ክራር und Masinko-Fiedel ማሲንኮ und eine Flötenart. Üblicherweise führen die Musiker*innen ein nomadisches Leben und treten in traditionellen Lokalen, Tej bet ጠጅ ቤት, auf und behandeln in ihren improvisierten Liedern poetisch verpackt gesellschaftliche Themen. Die Azmari, die vor allem aus Gojjam und Lalibela stammen, genießen mit ihren Preis- und Schmähliedern ein hohes Ansehen und nehmen eine Art Sonderstellung in der Bevölkerung ein.
Nach dem Ende der italienischen Besetzung Äthiopiens 1941 tat sich ein Wandel in der Musikkultur Äthiopiens. Der für diese Zeit sinnbildlich stehende Begriff Addis Zemen አዲስ ዘመን „Neuer Horizont/Neue Ära“ schlug sich nicht bloß in der Musik, sondern auch in dem in diesem Zusammenhang verwendeten Wortschatz nieder. Aus dem traditionellen Wort für Musik zema ዜማ wurde musiqa ሙዚቃ und die Künstler*innen wurden fortan als Zemenawi Zefanoch ዘመናዊ ዘፋኖች „Neuzeitliche Sänger*innen“ bezeichnet. Musikalisch entwickelte sich durch „westliche“ Einflüsse der sogenannte Ethio-Jazz, welcher sich vor allem in den Großstädten Addis Abeba, Gonder, Harar und der Stadt Asmara im heutigen Eritrea zentrierte und von dort aus verbreitete.
Diese neue Musikrichtung hat wiederum auch auf die Szenen von New Orleans, von Städten Lateinamerikas und des Nahen Ostens Einfluss genommen. Während der traditionelle Stil eine frei-rhythmische Musik verfolgt, hat die neuzeitige Variante einen „triple-rhythmic background“. Viele der Musiker*innen besitzen einen bi- oder multilingualen Hintergrund, weshalb die Melodien und Texte von Kritiker*innen häufig als „Mutation“ bezeichnet werden. Ein charakteristischer Zug des neuzeitlichen Musikstils ist zum einen die Auseinandersetzung mit Themen wie unerwiderter Liebe. Sprachliche Äußerungen werden ohne viel Gebrauch von rhetorischen Mitteln ausgedrückt und auch der Wortschatz ist stark limitiert und wenig poetisch. Die Melodien und Strophen wiederholen sich und des Weiteren verfolgt die letzte Silbe einer Strophe immer das Reimschema eines Paarreims.
Die zeitgenössische Musik in Äthiopien gewinnt immer mehr an Zuspruch, dennoch wird sie von der alt eingesessenen Szene nicht angenommen. Die Kritiker*innen monieren, man nähme zu wenig Bezug auf die eigenen äthiopischen Kulturen und zu viel auf „westliche“. Durch diese Ablehnung werden wiederum die modernen Musiker*innen in ihrer internationalen und interkulturellen Ausrichtung bestärkt.
Wichtige Vertreter*innen des Ethio-Jazz sind Tewodros Kassahun, der unter dem Pseudonym Teddy Afro bekannt ist, und Aster Aweke.
Tewodros Kassahun aka Teddy Afro wurde 1976 in Addis Abeba geboren, wo er bis heute lebt. Unter seinen bisher fünf veröffentlichten Alben sorgte das 2005 erschienene Yasteseryal für großes Aufsehen. Aufgrund regierungskritischer Textzeilen geriet er unter polizeiliche Beobachtung und wurde unter umstrittenen Umständen wegen eines Autodeliktes zu fast eineinhalb Jahren (April 2008 bis August 2009) Haft verurteilt (http://www.teddyafromuzika.com/index.php/my-life/).
Die 1959 in Gonder geborene Aster Aweke gehört zu der Generation, die das kommunistische Regime in Äthiopien hautnah miterlebt hat, was sie in ihrer Musik indirekt zum Ausdruck bringt. Ihre Lieder begleitet die aufgrund ihrer Fluchtgeschichte in den USA lebende Künstlerin sowohl mit der Krar, als auch mit westlichen Musikinstrumenten wie Saxophon, Keyboard und Bassgitarren (Kebede 1991: 158).
In ihrem 2013 erschienenen Lied Eweddihalehu „Ich liebe dich“ spricht die Musikerin Aster Aweke vermeintlich eine geliebte Person an. Auf anderer Ebene lassen sich gewisse Textzeilen aber auch als Aufruf an ihr Geburtsland Äthiopien und dessen Bevölkerung interpretieren.
Die Musikszene in Äthiopien ist zusammenfassend als sehr vielfältig anzusehen. Neben traditioneller Musik, die weiterhin viel Zuspruch erfährt, finden sich mit dem Ethio-Jazz und weiteren Strömungen Stile zwischen Tradition und Moderne.
Quellen:
Kebede, Ashenafi (1976). Zemenawi Muzika: Modern Trends in Traditional Secular Music of Ethiopia. The Black Perspective in Music, 4(3), 289-301.
Kebede, Ashenafi (1991). Ethnomusicology, 35(1), 157-160. doi:10.2307/852413
TeddyAfroMuzika 2016. http://www.teddyafromuzika.com/index.php/my-life/ [letzter Zugriff: 29.05.18]